KIRSCHPROBE
Videoinstallation
Legende
6 Monitore, 6 DVD // variable Längen / Loops
2000


Sechs Monitore zeigen sechs Männeroberkörper jeweils zentriert in einem leeren, weißen Raum. Die Oberkörper sind nackt. Die weißen Unterhosen, die alle sechs Männer tragen, sind im Monitor nur angeschnitten. In sie greifen sie, um eine Kirsche hervorzuholen, sie aufzuessen, zu zielen, ein wenig Schwung zu holen und den Kern mehr oder weniger gekonnt auf ein Ziel hin, an der Kamera vorbei, zu spucken. Der Kern prallt hörbar an etwas auf. Einer scheinbar genauen Anweisung folgend, ist der Ablauf stets derselbe: Die Männer betreten die Bildfläche, essen Kirschen, spucken Kerne und gehen wieder. Der Vorgang wiederholt sich auf jedem Video unterschiedlich oft. Die Männer wirken jedoch so, als wüßten sie genau, wann es vorbei ist. Sie verlassen den Bildraum um ihn im Loop von neuem zu betreten.
Was tatsächlich geschah: Miriam Bajtala hat jeden der sechs Männer mit einer Unterhose ausgestattet und ihm eine Schüssel mit Kirschen bereitgestellt, aus der er beliebig viele, den Versuchen entsprechend, die er sich zumuten wollte, entnehmen konnte, um die Hose damit zu füllen und mit dem Spucken zu beginnen. Dann galt es, eine für ihn vorbereitete Zielscheibe zu treffen. Sobald alle Kirschen gegessen und alle Kerne verschossen waren, war seine Aufgabe erfüllt. Die Zielscheiben bleiben in den Videos unsichtbar.

Die Künstlerin begrenzt mit ihrem Bildausschnitt die Männeroberkörper. Ihre Spielregeln sind strikt. Die Männer in den Monitoren wirken uniform, die jeweilige Vorgangsweise verrät jedoch Persönlichkeit. Innerhalb der klaren Struktur des Ablaufs und der Aufstellung sind die verschiedenen Reaktionen oft überdeutlich: verschmitzte Freude über erfolgreiche Treffer, kaum verhaltener Ärger bei Fehlwürfen, stoische Geduld, Spaß am Spiel ... Zuweilen kostet es sichtlich Mühe ernst zu bleiben, manch eines Taktik scheint in der Konzentration zu liegen, ein anderer holt jedes Mal tief Luft. Manchen ist der Ehrgeiz, anderen der Genuss der Kirschen anzusehen ... Natürlich tritt auch die individuelle Körperlichkeit zutage. Die Behaarung ist von unterschiedlicher Dichte. Einige Oberkörper sind muskulöser, andere stämmig. Ein Mann trägt eine Brille. Was haben diese Männer gemein? In wessen Blick? Was sind ihre jeweiligen Stärken?

Miriam Bajtala hat sie inszeniert und führt sie vor. Sie lässt die BetrachterInnen an dem Schuljungenspiel nach ihren Regeln und Auswahlkriterien teilhaben. Sie besorgt und organisiert, mit den Kirschen, den Unterhosen und den Männern ihrer Wahl, was Mädchen verwehrt blieb ... Nach ihrem Geschmack. Und Geschmäcker sind ja bekanntlich so individuell, verschieden und unerklärlich wie die Variationen des Kirschkernspuckens ... (Nora Sternfeld)